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Frankenstein

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Dies ist ein Beitrag zum Oktober Karneval der Rollenspielblogs zum Thema Roboter Golems & Kunstwesen. Den Einleitungsartikel findet man bei Clawdeen. Im Forum der RSP-Blogs ist hier der Thread.

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Frankenstein oder Der moderne Prometheus ist ein Roman von Mary Shelley aus dem 19. Jahrhundert. In dem Roman geht es um Viktor Frankenstein, der den Tod überwinden will bzw. neues Leben erschaffen möchte. Durch die Kreatur, die er erschafft, beweist er, dass dies möglich ist; gleichzeitig wird seine Kreatur zum Monster, welches er buchstäblich bis ans Ende der Welt jagt.

Literarische Bedeutung

Das Motiv aus dem Nichts Leben zu erschaffen, ist nicht neu. Man könnte sogar den Golem des Rabbi Löw als Vorgeschichte sehen. Wurde der Golem aus Lehm und nur mit Atem also Wörtern erschaffen und kommt dem Schöpfungsprozess der jüdisch/christlichen Glaubenslehre gleich, wird das Monster von Frankenstein durch Wissenschaft und Technik produziert. Hier ist der Wandel der Gesellschaft deutlich zu erkennen. Die westliche Welt entfernt sich von einer landwirtschaftlichen geprägten Gesellschaft hin zu industriellen Nationen. Auch Lovecraft nimmt sich dieser Thematik in Herbert West: Reanimator an. Herbert West ist eine Erzählung, die Lovecraft als Parodie auf Frankenstein schrieb und die er selbst als schwaches Werk bezeichnete. Dem will ich nicht widersprechen, aber der Reanimator hat zumindest eines erreicht, er schließt die Lücke zum Zombie-Genre

Issac Asimov führt den Kern von Mary Shelleys Geschichte mit seiner 1950 erschienenen Kurzgeschichtensammlung I, Robot fort. Der Mensch lebt hier Seite an Seite mit den modernen Monstern Frankensteins und hat immer noch Ängste aber auch Hoffnungen. Hieraus entstehen philosophische Fragestellungen wie: Was ist Leben und was ist Persönlichkeit.

Der Archetyp des verrückten Professors

Viktor Frankenstein ist der Urvater der verrückten Professoren, zumindest in literarischer Hinsicht. Er ist intelligent und wissenshungrig. Er beginnt ein Studium der Naturwissenschaften in Ingolstadt. Durch seinen Ehrgeiz wird er paranoid. In sich gekehrt und alleine vertieft er sich in seine Arbeit, er forscht, er liest metaphysische Schriften und wissenschaftliche Abhandlungen und überschreitet Grenzen.

Colin Clive als Dr. Frankenstein aus Frankenstein 1931
Colin Clive als Dr. Frankenstein aus Frankenstein 1931

Dieser Typus eines Wissenschaftlers lässt sich nicht durch Normen des Zusammenlebens, Ethik oder Gewissen aufhalten. Sein Ziel ist für ihn ehrenwert, wie Prometheus bringt er den Menschen das Feuer um Zivilisation und Fortschritt zu gewähren. Prometheus erschuf aber auch den Menschen und gilt als Freund der Menschheit. Dies ist das Selbstbildnis, es weicht durchaus von dem Empfinden anderer Menschen ab. Die Ernüchterung Frankensteins kommt später. In ihm wachsen Schuldgefühle und die Unfähigkeit über seine Taten (die er vielleicht als Sünde, vielleicht als Verbrechen wider der Natur sieht) zu sprechen und sie zuzugeben, was ihn immer mehr isoliert. Aus diesen Schuldgefühlen und aus Mitleid verspricht er seinem Monster eine Gefährtin zu erschaffen. Im letzen Moment aber überkommen ihm Zweifel und er vernichtet das zweite Monster.

Verrückte Wissenschaftler sind gar nicht so verrückt. Zwar wird der Figur Viktor Frankenstein eine Schizophrenie attestiert, allerdings dürfte Mary Shelley ihre Figur einfach nur mit Ehrgeiz und der Fähigkeit zur Reflexion ausgestattet haben. Was sich daraus entwickelt ist Literatur und kein Krankheitsbild.

Frankensteins Monster
Boris Karloff als das Monster in Frankensteins Braut 1935
Boris Karloff als das Monster in Frankensteins Braut 1935

Wer ist eigentlich das Monster?
Die Kreatur, die Frankenstein erschafft, ist primitiv, hässlich und doch irgendwie menschlich. Sie tötet; erst den kleinen Bruder von Viktor später seinen Freund. Der kleine Wilhelm Frankenstein stirbt, weil das Monster Angst hat und es sich über seine Kraft nicht im Klaren ist, Frankensteins Freund stirbt wegen des Zorns und der Enttäuschung des Monsters über das Scheitern ihm eine Gefährtin zu erschaffen. Alles sind Gefühle, die tief im Menschen liegen. Und am Ende zeigt sich noch eine weitere menschliche Regung. Als Viktor stirbt, trauert die Kreatur, gleich einem Sohn der um seinen Vater trauert.

Das Monster ist die tragische Figur der Erzählung. Hineinproduziert in eine es ablehnende Welt, weder hatte es eine Wahl noch gibt man es eine Chance. Selbst die Bauernfamilie, der die Kreatur hilft, fürchtet sich vor seinem Anblick und es muss fliehen. Das Monster ist Frankenstein, seine Kreatur und auch die Gesellschaft, alle auf ihre Arten.

Horror und Popkultur

Mary Shelleys Schauergeschichte wurde mehrmals verfilmt. Erstmals 1910. Hängengeblieben sind aber wahrscheinlich die Filme aus den ’30ern.  Boris Karloff und die unverwechselbare Optik seiner filmischen Interpretation des Monsters haben für immer unsere Vorstellung geprägt. Literarisch gesehen hält sich nur der zweite Teil Frankensteins Braut von 1935 einigermaßen an die Vorlage von Mary Shelley. Viel werkgetreuer ist der 1994 erschienene Film Mary Shelleys Frankenstein mit Robert DeNiro als Monster und Kenneth Branagh als Victor Frankenstein.

Warum uns Frankenstein und seine Schöpfung gruselt, kann zum einen daran liegen, dass wir Angst vor der Wissenschaft haben bzw. an ihren Auswüchsen. Dies war in der Vergangenheit stärker ausgeprägt. Gentechnik und Stammzellforschung sind heute nicht mehr furchteinflössend sondern werden lediglich kritisch und unter ethischen Gesichtspunkten betrachtet. Der Mensch ist im wahrsten Sinne des Wortes erwachsen geworden. Der Schauer entspringt dann eher der Abscheulichkeit der Beschreibung des Monsters, seiner übermenschlichen Kraft und der Wildheit seines Geistes. Die Angst vor dem was nicht sein kann und nicht sein darf ist es, die uns gruselt.

Foto von Derrick Tyson: Frankenstein's 'Monster' unter CC BY 2.0 Lizenz
Foto von Derrick Tyson: Frankenstein’s ‚Monster‘ unter CC BY 2.0 Lizenz

Frankensteins Monster ist in die Popkultur eingegangen, in einem positiven Sinne. Herman Munster aus der ’60er Jahre Serie The Munsters ist die Verkörperung des grobschlächtigen Monsters mit dem Herzen am rechten Fleck. Kaum eine Halloweenparty ohne die typische Monstermaske.

1996 brachte Interplay das Spiel Frankenstein – through the eyes of the monster heraus. In diesem Point-and-Click Adventure wird die Flucht des Monsters nach dessen erwachen nachgespielt. Tim Curry wird als Frankenstein in das Spiel hineinimplementiert, sehr witzig und zur damaligen Zeit für einige Spiele üblich. In diesem Spiel nimmt man die Rolle des Monsters ein, welches fliehen muss. Der Wandel zur mitleiderregenden Kreatur ist damit endgültig vollzogen und die Schauergeschichte ist mehr zu einem Drama, welches aus Missverständnissen erwächst, umgewandelt.

Bezug zum Rollenspiel

Gibt es einen Bezug zum Rollenspiel? Ganz klar: Ja! Die Grundidee der Erzählung ist ja nichts anderes als, dass ein böser Wissenschaftler/Magier etwas Böses erschafft und damit Menschen bedroht. Dieser Plot dürfte in vielen Abenteuern so oder in Variationen vorkommen. Leider werden dann Monster und Erschaffer als reine EP-Bringer verheizt. Wie man NSC’s mehr Tiefe verleiht, hatten wir schon im RSP-Karneval aus dem Juli ’14. Besonders würde ich da vielleicht noch einmal Engors Dereblick Beitrag vom Klischeeschurken nennen.

In eine Fantasysetting ist es dann auch leichter, eine feindlich scheinende Monstrosität anzusprechen und sie als Helfer einzuspannen. Die Wünsche des Monsters sind auch nicht so weit hergeholt: Eine Gefährtin und ein Leben in Abgeschiedenheit.  Anders sieht es in einem Horrorsetting aus, den selbst wenn die Ermittler über Mitleid verfügen, dürfte der Anblick der Kreatur sie verängstigen. Interessant wäre hier, wenn die Kreatur den Ermittlern aus dem Verborgenen hilft und es vielleicht zum Ende zu einem Showdown kommt, bei dem die Ermittler Eins und Eins zusammenzählen müssen und sie die Kreatur entweder als Freund erkennen oder es bekämpfen.

Abgesehen von diesen Plotwendungen ist das Monster eine Kreatur von minderer Intelligenz, es wird hauptsächlich von Trieben geleitet und verfügt über unmenschliche Kraft und Körpergröße. Aus der Erzählung weiß man zudem, dass Frankensteins Schöpfung sich zumindest vegetarisch ernährt und kein Lamm oder Zicklein verspeist. Auch wenn das Monster primitiv ist, ist es doch auch menschlich, Empathie, Mitgefühl und Liebe sind ihm daher nicht vollends fremd.

Das Aussehen variiert. In der Geschichte hat es ein relativ normales Aussehen. Wie ein entstellter Mensch, dies könnte auch Ursache eines Unfalles sein. Mit der Verfilmung von 1910 nimmt es dann eine unheimlichere Form an: Krallen und ein eher ghoulisches Äußeres.

Bis es in den ’30ern sein popkulturelles Erscheinungsbild erhält.

Wie das Monster erschaffen wird, ist in der Geschichte nicht exakt beschrieben. Frankenstein nutzt hierfür Fleisch, welches er vom Fleischer bekommt. Im 1910 erschienenen Film, ist es Alchemie und erst in späteren Filmen nimmt er dafür Teile geschändeter Leichen, zweifelsohne um den Horrorfaktor zu steigern. Auch der Blitz bzw. die Elektrizität ist eine Interpretation der Filmindustrie, die durchaus logisch ist.

Die Elektrizität würde auch in allen gängigen CoC Epochen Sinn ergeben. Bereits 1780 entdeckte Luigi Galvani, dass Muskeln auf Strom reagieren. Von dieser Zeit an wurde Strom als Teil des Lebens betrachtet bzw. für dessen entstehen verantwortlich gemacht. Selbst in modernen Settings ist es nicht von der Hand zu weisen,  dass Ermittler auf die Idee kommen, mit Strom Herzen wieder zum Schlagen zu bringen. Im Fantasysetting eignet sich dann allerdings das mystisch/alchemistische Szenario eher als Hintergrund.

Frankenstein ist eine gute Geschichte, die wie auch der Golem gut für eine kleines Rollenspielintermezzo eignet.

Links

Frankenstein als Lesung auf LibriVox
Der Text bei Projekt Gutenberg in deutsch
Der Text bei Project Gutenberg im englischen Original

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folgt…


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